Wilde Mändle

Es ist schon etwas besonderes, ein nicht alltägliches Schauspiel, wenn die "Wilden Mändle" tanzen oder springen. Man muß es einmal gesehen haben, un dem Beschauer verbleibt ein nachhaltiger Eindruck, wenn er sich um 2000 Jahre zurückversetzt sieht. Verbreitet waren die "Wilde Mändle" früher über das ganze Alpengebiet, von Hochsavoien bis zur Tatra und von den Dolomiten bis hinauf in den Harz und den Thüringer Wald.

Doch nur an einem einzigen Ort der ganzen Alpen hat sich der Tanz in seiner Urform erhalten: In Oberstdorf im Allgäu. Es ist dies eines der letzten Kultgüter aus der heidnischen Zeit, welches sich im Schutze der entlegenen Oberstdorfer Gebirgstäler in unserer Zeit herüberretten konnte. Denn noch vor einigen hundert Jahren verbanden sich mit dem Begriff Oberstdorf noch die Schrecken des Urwaldes, der Wildnis und der unerforschten Bergwelt. Das ist wohl der Grund, warum sich in Oberstdorf dieses uralte Erbe grauer Vorzeit zu halten vermochte.

Der Wilde-Mändles-Tanz

Seit dem Jahre 1901 ist nun der »Wilde-Mändle-Tanz« vom Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf in feste Hände übernommen worden und wird seit dieser Zeit in einem geregelten Turnus alle 5 Jahre wieder aufgeführt.Der Tanz selbst erfordert große Kraft und Gewandtheit und wird ausschließlich von Männern verkörpert.

Der älteste deutsche Kulttanz

Die einheimische Bevölkerung hat an der althergebrachten Gewohnheit des »Wilde-Mändle-Tanzes« durch die Jahrhunderte unentwegt festgehalten. Und wenn auch heute manche Figuren nicht mehr so getanzt werden wie einst vor 2000 Jahren und manche modische Geschmacksrichtung vergangener Zeit dem Tanz ein anderes Gepräge verliehen hat, so führt doch von dem Oberstdorfer »Wilde-Mändle-Tanz« des Jahres 2005 eine ununterbrochene Linie zurück in die Vorzeit, wo sich das Tun, Fühlen und Denken der Menschen im Dunkel verliert. Auch wurde der »Wilde-Mändle-Tanz« nicht von geschäftstüchtigen Managern hochgespielt oder von Fremdenverkehrsbüros zum Zwecke einer Attraktion für Sommerfrischler. Der »Wilde-Mändle-Tanz« wurde schon aufgeführt, als es noch keine Kurgäste und auch kein staatliches Interesse am heimischen Volkstum und alten Bräuchen gab.

Die erste komplette Beschreibung des »Wilde-Mändle-Tanzes« finden wir in der von Abt Columban verfaßten Vita 615 nach Chr. Unter anderem wird dabei eine Opferfeier erwähnt, bei der die wilden Männer zu einem Umtrunk vereint waren und aus hölzernen Bechern ihr Bier tranken und dazu sangen, wie die Schlußszene es heute noch genauso darstellt. In der Pariser Nationalbibliothek findet man in der von De Brujes verfaßten Chronik im 4. Band ein Bild des »Wilde-Mändle-Tanzes« (Manuskript 2646). Das Bild beschreibt den »Wilde-Mändle-Tanz« in Paris 1393 im Hotel Saint Paul, anläßlich der dritten Hochzeit einer Hofdame der Königin.

Neben verschiedenen mittelalterlichen Bildern ist wohl die beste Beschreibung des »Wilde-Mändle-Tanzes« im Jagd- und Reisetagebuch des Fürstbischofs von Augsburg, zugleich Kurfürst von Trier, Clemens Wenzeslaus, zu finden. (Münchner Staatsarchiv). ...... grauer Vorzeit zu halten vermochte. Derselbe holte die »Wilden Mändle« von Oberstdorf an den Hof zu Trier, um beim großen Hofball am 26. August 1793 den hohen Gästen die »Komedy der 12 Wilden Mann« aus Oberstdorf vorzuführen.

Viele Urkunden beweisen die Aufführungen des »Wilde-Mändle-Tanzes« an den verschiedenen Königshäusern, z.B. 1515 vor Heinrich dem VIII. von England, 1393 am Hofe Karl VI. in Paris, Pastor Christian Lehmann beschreibt das Wilde-Mann-Spiel im Erzgebirgischen 1615, dieses endet mit der tödlichen Jagd auf die Wilden Männer. Auch aus Südtirol liegen Berichte vor aus dem 18. Jahrhundert von Wildc-Mann-Spielen in Marling bei Meran, unter Kaiser Josef wurde das »Wilde-Mann-Spiel«, das im Burggrafenamt und im Vinschgau blühte, verboten. Zu Burgeis im Vinschgau wurde 1829 das letzte Wilde-Mann-Spiel geboten. Auf einem gewirkten Wandteppich aus dem Anfang des 16. Jahrunderts (Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg) ist der Raub einer »Wilden Frau« durch einen Ritter aus der Mitte ihres rauhbehaarten Volkes sehr lebendig dargestellt. Ein älterer Wandteppich auf der Wartburg, nach der Architektur wohl ins 13. Jahrhundert gehörig, schildert die Verteidigung einer wildmännischen Königsburg gegen feindliche Wildmänner. Auch aus der Schweiz und vielen anderen Orten liegen Frühberichte über Wilde Männer vor, doch alle aufzuzählen ginge hier zu weit.
1648, als die Pest in dem noch kleinen Ort Oberstdorf über 800 Menschen dahinraffte, da haben einige beherzte Burschen der Pest einen Possen gespielt und sind in der Verkleidung der »Wilden Mändle« durchs Dorf getanzt. Als nach einigen Tagen die Burschen den Tanz wiederholten und feststellten, daß keiner fehlte, da wich die große Furcht vor der Pest aus der Bevölkerung. In der Folge wurde der Tanz zu einem Volksfest, das lange Zeit alle Jahre begangen wurde.
Seit dem Jahre 1901 ist nun der »Wilde-Mändle-Tanz« vom Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf in feste Hände übernommen worden und wird seit dieser Zeit in einem geregelten Turnus alle 5 Jahre wieder aufgeführt.

Der Tanz selbst erfordert große Kraft und Gewandtheit und wird ausschließlich von Männern verkörpert. Hier mittun zu dürfen ist eine Ehre, und es kommen im allgemeinen nur Angehörige alteingesessener Oberstdorfer Geschlechte dazu.
In alter Zeit wurde der Tanz von Holzpfeifen, Bockhörnern und Trommeln begleitet. Als dann im Jahre 1811 ein Oberstdorfer Schullehrer zur Musik Noten gesetzt hatte und auch ein Freudenlied dazu vertonte, wurde die Tanzbegleitung von den damals aufkommenden Blasmusikkapellen übernommen. Die gesamten Aufführungen vollziehen sich unter den Klängen einer altertümlichen Musik mit einer altcrerbten, höchst einfachen Melodie, die in ihrem ersten Andantesatz höchst ausgeprägte Rhythmen, vorzugsweise für die Sprungbewegungen usw., aufweist, während der zweite, der Allegrosatz, für die rascher aufeinanderfolgenden Bewegungen eingerichtet erscheint.
Die Gewänder der »Wilden Mändle« sind aus Tannenbart genäht, das ist eine Moosflechte, die nur an Tannen oder Fichten in höheren Gebirgslagen (ca. 1400 bis 1900 Meter) vorkommt. Bedeckt ist der ganze Mann bis auf die Augen. Auf dem Kopf trägt er einen Kranz aus Stechholderblättern (Stechpalme), um die Hüfte trägt er einen Gürtel aus geflochtenen jungen Tannenzweigen.